Die Stimmen, die Regatten spannend machen
Gute Rennen werden noch besser, wenn einem ein kompetenter Kommentator das Geschehen näherbringt. Genau das ist das Ziel des internationalen Speakerteams der FISA, dem Paul Castle* angehört. Paul Castle ist seit vielen Jahren Regattasprecher der FISA und begleitet die Rennen während Weltmeisterschaften und Olympiaden. Auch an kleineren Regatten nimmt er als Speaker teil. rowperfect.online wollte mehr wissen.
rowperfect: Wie bist Du zum Kommentieren gekommen?
PC: 1994 las ich eine Anzeige im schweizerischen Ruderheft. Am Luzerner Rotsee suchte man Unterstützung. Erst nach meinem Probeeinsatz erfuhr ich, dass ich der einzige Kandidat gewesen sei.
Was müssen Leute mitbringen, die kommentieren möchten?
Unabdingbar sind Freude am Rudersport und am Reden, ein kühler Kopf und keine Angst vor Fehlern in der Öffentlichkeit. Eine Kunst, die man dann lernen sollte, heisst: Im selben Moment beobachten, denken und reden.
Was zeichnet die Mitglieder des FISA-Speakerteams aus?
Weitere Anforderungen an Speaker ähneln jenen an Rennruderer. Dazu zählen Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen, Wetterfestigkeit, Flexibilität, Fairness und Reisebereitschaft. Ebenfalls unabdingbar ist Fleiss: Damit Hintergrundinfos wie aus dem Ärmel geschüttelt wirken, müssen sich Regattasprecher intensiv vorbereiten. „Büffeln“ ist am Vorabend angesagt, damit man im richtigen Moment Ergebnisse, Erläuterungen und Erinnerungen parat hat.
Wie würdest Du Eure Aufgabe beschreiben?
Unser Job ist es vor Allem, das Publikum zu informieren und unterhalten. Damit wollen wir jede Regatta noch mehr zum Erlebnis machen. Wir müssen auch sozusagen die Augen des Publikums sein. Zuschauer sehen vom Ufer aus jeweils nur einen Bruchteil der Rennstrecke. Für Infos zu den anderen 1700 Metern sind sie stark auf uns angewiesen. Zu bedenken ist auch immer, dass der Grossteil unseres Publikums nicht vor Ort steht, sondern weltweit via Internet zuhört.
Momente eines Regattasprechers
Was war bislang Dein schlimmster Moment als Kommentator?
Bei diesem Hobby bin ich oft nasser und kälter geworden, als jemals beim Rudern! Dazu gab’s immer wieder technische Herausforderungen unterschiedlichster Art. Aber auf Twitter bei der EM dieses Jahr in Glasgow als „Schwachsinniger“ bezeichnet zu werden, tat mehr weh.
Und der schönste Augenblick?
Besser geht’s für einen Regattasprecher kaum: Du sitzst am Mikrofon und ein Vereinskollege wird Olympiasieger*! Ein sympathischer Mann, den Du seit 20 Jahren kennst und der 2012 eine Medaille knapp verpasste. Kurz vergisst Du die gebotene Neutralität und freust Dich lauthals. Dieses fantastisches Gefühl erlebte ich 2016 in Rio.(*Anm. der Redaktion: Simon Niepmann, der im RC Grenzach, GER rudern gelernt hatte, wurde Olympiasieger im SUI- LM4- als Paul kommentiert hat.)
Was sollte man tun, wenn man sich für den Schritt ins internationale Speakerteam interessiert?
Mich kontaktieren! In Luzern bieten wir jedes Jahr eine Traineestelle an. Auch weitere Regatten gehören zum Ausbildungsplan. InteressentInnen sind jederzeit willkommen: paul.castle@ruderclubgrenzach.de.
*Schwätzen statt Schwitzen
Aufgewachsen im englischen Cambridge, fing Paul Castle (55) im Londoner Internat mit dem Rudern an. Mit den Leichtgewichten der Universität Oxford verlor er am 20. Geburtstag gegen Cambridge. Danach ruderte er in Heidelberg und war von 1999-2017 Präsident des www.ruderclubgrenzach.de. Paul wohnt bei Basel. Als Ruderkommentator mit dem halbernsten Motto „Schwätzen statt Schwitzen“ rapportierte er unter anderem bei fünf Olympischen Regatten.